28-Aug-2022 -
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28-Aug-2022 - Der Sonntagsausflug
Die naheliegendste Konfluenz, sozusagen die Home-Konfluenz, steht schon seit Jahren auf unserer To-Do-Liste. Heute ist Sonntag. Das Wetter ist gut. Die Entfernung nicht zu weit. Und: Rot an der Rot liegt an der Oberschwäbischen Barockstraße. Das ist quasi der Inbegriff des konventionellen Sonntags-Ausflugs-Ziel.
Nach dem Mittagessen geht’s los. Wir brausen die A7 hinunter nach Süden. Durch die Ortschaften des Illertal wälzte sich entlang der Bundesstraße B27 bis in die späten 70er eine nicht endende Verkehrskolone und brachte Kneipen und Tankstellen lukrative Umsätze. Heute ist das Verkehrsaufkommen jenseits der mittlerweile durchgängigen Autobahn in Weilern wie Berkheim, Illerbachen und Zell an der Rot eher überschaubar.
Die herausspitzelnden typischen Doppeltürme der Klosterkirche lassen wir in Rot an der Rot erstmal links liegen. Bei 2,5 km Entfernung reibe ich mir die Augen: Hinter der Hecke spitzelt statt dem Allgäuer Braunvieh ein industriell geformter „Pferdekopf“ hervor. Die Tiefpumpe, ein Erkennungsmerkmal für ein aktives Erdölfeld an der Barockstraße - ist das eine Fata Morgana einer Konfluenz aus der algerischen Sahara oder der kasachischen Steppe?
Doch die Neugier muss warten. Zuerst geht es am Wasserlauf der Rot entlang schnurgerade durch den Ortsteil Spindelwag. Ganz am Ende nach den letzten Häusern führt ein Abzweig zum höher gelegenen Unter-Ortsteil Berg. Wenig überraschend finden wir die Konfluenz dort auf einem Hofgelände. Wir parken vor dem im Sommer fast leeren Fahrsilo.
Während ich bereits den Nullertanz auf dem fremden Grundstück aufführe, klingelt Bernd an der Haustür und schaut ob jemand zuhause ist. Die Foto-Genehmigung wird umgehend und unbürokratisch auf oberschwäbisch ausgestellt: „Des bassd scho.“
Wir genießen noch einige Minuten den Ausblick über das ein paar Meter tiefer gelegene Tal der Rot, wo sich versteckt unter Bäumen in Spindelwag der Pfaffenrieder Bach und der Ölbach (oder Ellbach) zur Rot verheiraten. [1]
Und dann entdecken wir weiter spannende Stationen am 48. Breitengrad: Die Fata Morgana entpuppt als Industriedenkmal für das einstmalige Erdölfeld „Mönchsrot“ (N 48° 0' 53,3" O 10° 1' 31,2"). Die beigestellte Informationstafel verrät: Von 1958 bis 1995 wurde vor den Klostermauern das schwarze Gold gefördert. „Stolze“ 10 Pfennig Entschädigung pro Quadratmeter verdienten die Wiesenbauern damals. Die Förderung wurde mangels Wirtschaftlichkeit vor 20 Jahren eingestellt. Die damals fördernde Firma Wintershall geht davon aus, dass nur 30% des Ölvorkommens gefördert wurden und vermutet immer noch eine Perlenkette von Erdöllagerstätten im Alpenvorland. Deshalb hat sie beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Regierungspräsidium Freiburg) die entsprechenden Genehmigungen für seismische Messungen beantragt und im Herbst / Winter 2015 / 2016 durchgeführt, um die Ausbeutung zu bewerten. Das umstrittene Fracking wurde als Fördermethode von Anfang an ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund der Energie-Unabhängigkeit scheint es also keine Illusion, dass zukünftig wieder „Pferdeköpfe“ nicken und schillernde Ölflecken statt Kuhfladen die Wiesen im Oberschwäbischen verunreinigen. [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
Beim obligatorischen Besuch der ehemaligen Prämonstratenser Reichsabtei Mönchsroth beeindruckten nicht nur die historischen Kunstschätze in der Klosterkirche St. Verena. Überraschend entdeckt man eine Tafel, die HAP Grieshaber gewidmet ist. Der oberschwäbische Künstler wurde in Rot an der Rot geboren. Wo er lebte und arbeitete – knapp 100 km Nordwest- war der Kunst-Lokal-Matador „weltberühmt“. Seine unverwechselbaren Holzschnitte zierten Plakate, Hefte, Bücher und einige Wohnzimmer der fachkundigen Eltern meiner Jugendfreunde. Seine Kunstwerke erzählen Geschichten ohne Worte vor dem Hintergrund der regionalen Landschaften und mischten sich so in die Diskurse meines Alltags ein. Leider war die Galerie im Rathaus geschlossen. [9] [10] [11] [12]
Und wenn wir schon bei Kunstwerken und Erinnerungen sind: Ich erinnere mich an eine schablonenhafte kreisförmige Skulptur mit dem Hinweis auf den 48sten Breitengrad beim Gassi-Spaziergang in Memmingen. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sonntagsfahrt inklusive dreistündigem Kaffeeklatsch bei Freunden noch schnell auf dem Heimweg diese Skulptur gesucht … und gefunden: N 48° 0' 0" O 10° 11' 6,4". Mittlerweile hat die Stadt Memmingen den Mini-Themenpark zum 48. Breitengrad im Stadtpark Neue Welt ausgebaut. Man kann zum Plausch in der Weltkugel „Tor zur Freiheit“ Platz nehmen. Ein Fluss-Kiesel-Mosaik am Boden und die Krone auf der Weltkugel zeigen das indisches Murda Garuda, die Handgeste für „Adler“. Er steht als Symbol für Freiheit als Hommage an die Memminger Artikel 1525 in der die Bauern u. a. forderten die Leibeigenschaft abzuschaffen. Auf einem Schotterpfad kann man entlang des 48. Breitengrads wandeln und sechs bunte Stelen bestaunen. Sie symbolisieren die sechs Städte Starnberg (D), Campbellton (Can), Quimper (F), Zalantun (SHN), Lakota (North Dakota) (USA) und Donezk (UA), die stellvertretend für die 7500 Städte stehen, die wie Memmingen ebenfalls am 48sten Breitengrad liegen. Ein weltumspannendes Netzwerk. Eigentlich fast schon eine Special Visit auf confluence.org wert. [13] [14]
Zufrieden kurven wir die Autobahnauffahrt hinauf: Ein rundum gelungener Sonntagsausflug.
Faktenblatt:
- Name: Home-Konfluenz
- Abstand zur Straße: 30 m (60 m über die Hofeinfahrt)
- Nächster erreichter Punkt: 0 m
- Genauigkeit: 3 m
- Topographie: Gehöft auf Talrand, Hügel
- Wetterlage: bewölkt, 22 ° C
- Meereshöhe: 646 m
- Lokale Uhrzeit: 15:09
- Zeit zu erreichen: 50 min
- Zeit für den Ausflug: 6 h
- Strecke zu erreichen: 59,8 km
- Strecke Ausflug insgesamt: 143,74 km
- zu Fuß: 50 m (1,5 km insgesamt in Rot an der Rot und Memmingen)
English
28-Aug-2022 - The Sunday drive
The most obvious confluence, our home confluence so to speak, is an issue on our to-do list for years. Today is Sunday. The weather is fine. The distance is not too far. And: Rot an der Rot is part of the Upper Swabian Baroque Road. That's more or less the embodiment of a traditional Sunday excursion destination.
After lunch, we're off. We take the A7 heading south. Until the late 1970s, a never-ending traffic line used to wind its way through the villages of the Iller valley along the B27 federal road, bringing profits to pubs and petrol stations. Today, the volume of traffic beyond the meanwhile established highway in villages such as Berkheim, Illerbachen and Zell an der Rot is rather low.
The typical double towers of the monastery church peeking out at Rot an der Rot. We'll pass them for the time being. At a distance of 2,5 km, I rub my eyes: instead of the Allgäu brown cattle, an industrially shaped "horse's head" peeks out from behind the hedge. The deep pump, a distinctive feature of an active oil field at the Barock Road - is this a mirage of a confluence from the Algerian Sahara or the Kazakh steppe?
But curiosity has to wait. First, we head straight along the watercourse of the Rot through the quarter Spindelwag. At the very end, after the last houses, there is a turnoff to Berg - some houses on higher ground form a partial part of the suburb. Not surprisingly, we find the confluence at a farm. We park in front of a silo, which is almost empty in summer.
While I'm already doing the zero dance on foreign property, Bernd rings the front doorbell to see if anyone is at home. The photo permit is issued immediately and unbureaucratically in Upper Swabian dialect: "Des bassd scho.” (swb: That's fine.)
For a few more minutes, we enjoy the view over the Rot valley. A few metres below Pfaffenrieder Bach and Ölbach (or Ellbach) marry to form the Rot here hidden under trees in Spindelwag. [1]
And then we discover further exciting stations along the 48th parallel: the mirage turns out to be an industrial monument remembering the former oil field "Mönchsrot" (N 48° 0' 53,3" E 10° 1' 31,2"). The provided information board explains: From 1958 to 1995 black gold was extracted in front of the monastery walls. At that time, the meadow farmers earned a " lordly " 10 Pfennig per square metre. Production was stopped 20 years ago due to lack of profitability. Wintershall, the company that extracted the oil at that time, assumes that only 30% of the oil was pumped and still suspects that there is a string of oil deposits in the foothills of the Alps. Therefore, they applied to the State Office for Geology, Raw Materials and Mining (Regierungspräsidium Freiburg) for permits for seismic measurements and carried them out in autumn / winter 2015 / 2016 to assess the exploitation. Fracking, as a controversial extraction method, was ruled out from the very beginning. Against the background of energy independence, it therefore seems no illusion that in future "horse heads" will nod again and iridescent oil patches instead of cow pats will litter the meadows in Upper Swabia. [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8]
During the obligatory visit to the former Premonstratensian monastry of Mönchsroth, it was not only the historical art treasures of the monastery’s church St. Verena that impressed. Surprisingly, one can discover a plaque dedicated to HAP Grieshaber. The Upper Swabian artist was born in Rot an der Rot. Where he lived and worked, about 80 km Northwest, the local art matador was "world famous". His distinctive woodcuts decorated posters, notebooks, books and some living rooms of the well-informed parents of my childhood friends. His artworks told stories without words against the backdrop of regional landscapes and thus joined into the discourses of my everyday life. Unfortunately, the gallery inside the town hall was closed. [9] [10] [11] [12]
And talking about artwork and memories: I recall a stencilled circular sculpture with a reference to the 48th parallel on a dog walk around Memmingen. After a short break - a three-hour coffee chat with friends - we searched for this sculpture on the way home ... and found it: N 48° 0' 0" E 10° 11' 6.4". In the meantime, the city of Memmingen has extended the mini theme park for the 48th latitude at the city park Neue Welt (dt. New World). You can sit down for a talk in the globe "Gateway to Freedom". A mosaic of river pebbles on the ground and the crown on the globe show an Indian Murda Garuda, a hand gesture for "eagle". It is a symbol of freedom as tribute to the Memmingen Articles of 1525 in which the local inhabitants claimed, among others, the abolition of serfdom. On a gravel path you can stroll along the 48th parallel and marvel at six colourful steles. They symbolise the cities of Starnberg (D), Campbellton (Can), Quimper (F), Zalantun (SHN), Lakota (North Dakota) (USA) and Donetsk (UA), representing 7,500 more cities that, like Memmingen, also run along the 48th parallel. A global network. Actually, almost worth a special visit on confluence.org. [13] [14]
Satisfied, we curve up the motorway access road: an all-round successful Sunday getaway.
CP Visit Details:
- Name: Home Confluence
- Distance to road: 30 m (60 m via farm entrance)
- Nearest point reached: 0 m
- Accuracy: 3 m
- Topography: Farmstead on edge of valley, hill
- Weather conditions: Cloudy, 22 ° C
- Sea level: 646 m
- Local time: 15:09
- Time to reach: 50 min
- Time to reach: 6 h
- Distance to reach: 59.8 km
- Total distance of excursion: 143.74 km
- Distance to walk: 50 m (1.5 km in total at Rot an der Rot and Memmingen)
[1] Zusammenfluss (Flusshochzeit) von Ölbach und Pfaffenriederbach in Spindelwag zur Rot / river marriage Ölbach and Pfaffenriederbach to form the Rot https://www.flickr.com/photos/127779531@N03/25929759842/in/photostream/ (hier sieht man auch das Palettenlager vom visit #8 von hinten / one can see the pallett storage of visit #8 from backside )
[2] Erdölfeld Mönchsrot, Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Erdölfeld_Mönchsrot
[3] Bilder Erdölfeld Mönchsrot, Wikimedia commons https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Erdölfeld_Mönchsrot?uselang=de
[4] Erdöl im Barock Himmelreich, die Zeit, 24. April 1958
https://web.archive.org/web/20130423010253/http://www.zeit.de/1958/17/erdoel-im-barock-himmelreich
[5] Seismik Mönchsrot & Hauerz, Wintershall, 07.04.2016
https://web.archive.org/web/20160407105616/https://www.wintershall.de/projekte/seismik-moenchsrot-und-hauerz.html
[6] Wintershall plant neue Erdölbohrung bei Augsburg, Handelsblatt, 09.09.2015
https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-wintershall-plant-neue-erdoelbohrung-bei-augsburg/12297602.html
[7] Seismik Mönchsrot & Hauerz. Steinhausen an der Rottum, 18. 09. 2015
https://www.steinhausen-rottum.de/news/1/299857/nachrichten/immobilien/index/kategorie/cat/6/seite/78518/aus-dem-gemeinderat.html
[8] Betriebsplan der Messungen - Erdölförderung in der Region, Stadt Bad Wurzach – Umwelt & Energie, 25.03.2016
https://web.archive.org/web/20160325020508/https://www.bad-wurzach.de/buerger-wirtschaft/umwelt-energie/wintershall-erdoelfoerderung.html
[9] St. Verena (Rot an der Rot) https://de.wikipedia.org/wiki/St._Verena_(Rot_an_der_Rot)
[10] Reichsabtei Rot an der Rot https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsabtei_Rot_an_der_Rot
[11] Gemeinde Rot an der Rot, Tourismus https://www.rot.de/Home/Tourismus/Fuehrungen.html mit Informationen zum Mönchsrother Pfad / with information of Mönchsroth walking path https://www.rot.de/site/Rot-an-der-Rot/get/documents_E345184373/rot/Mediathek_Rot/Tourismus/Mo¦ênchsrother Pfad_Internet.pdf
[12] Pressemitteilung des Bundesministerium für Finanzen, 14.01.2009, Sonderbriefmarke für HAP Grieshaber / Press release of ministry of finance, 14.01.2009, commemorative stamp for HAP Grieshaber https://web.archive.org/web/20090213193100/http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_54090/DE/Presse/Pressemitteilungen/Briefmarken/2009/01/20091501__PM3.html (Kopie mit Bild gibt es hier / copy with image here: https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=14068)
[13] Weltkugel als Tor zur Freiheit, 21.07.2020, Stadt Memmingen https://www.memmingen.de/aktuell-presse/nachrichten-und-termine/pressemeldungen/singlenews-presse/news/detail/News/weltkugel-als-tor-zur-freiheit.html
[14] Memminger Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Memminger_Artikel